02.12.11

Das Ganze Set


Das Ganze Set

Technician: So, wir könnten dann mal mit dem Schlagzeugcheck anfangen....bitte die BASSDRUM zuerst, schön durchtreten, weißt ja wie das geht...
Artist: bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....
T: O.k., einen Moment bitte...ich muß hier kurz was checken...
....Eure Tour läuft ganz gut, oder?...Außer den Lücken, so zwischen Berlin und Lublijana sechs Tage off, hab ich gesehen, das ist natürlich nicht so toll, wie kommt so was eigentlich, komisches Booking...
Aber hier wird‘s ja ein Heimspiel heute, also da braucht ihr euch keine Sorgen machen, da kommen auf jeden Fall Leute......
Bitte nochmal die BASSDRUM, danke....
A:bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....
T: Ich heiß übrigens Nancy, nur damit du weißt, mit wem du‘s zu tun hast, ich schmeiß hier den Laden: also ich mach das Booking, den Sound und nachher steh ich auch hinter der Bar, und wenn ihr was braucht, könnt ihr euch gerne an mich wenden.
Übrigens besser nicht an Sid, der macht zwar auch Bar, ist aber der einzige Mensch, den ich kenne, der mal von einer Lawine verschüttet worden ist - seitdem ist er ein bißchen langsam und sein Hund beißt, aber keine Sorge, Göring ist eigentlich immer im Getränkelager eingeschlossen und passt da auf.
So, und jetzt bitte die SNARE.....

A: tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....

T: Ich war ja erst skeptisch, von wegen Ausstellung und so, ich dachte, dann kommen sicher lauter so Wichtigtuer, also bei Ausstellung denk ich erstmal, da machen sich welche wichtig...
weiter bitte...

A:tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak...tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak...

T: Übrigens - eine Sache noch: daß ihr mir hier bitte nicht auf die Bühne kotzt oder so, von wegen Museum, weil auch wenn das hier jetzt Ausstellung genannt wird, wollt ich nurmal sagen, ist das hier trotzdem kein Museum.
Agnostic Front nämlich, kennste vielleicht, die haben das mal gemacht, in einem Museum in New York, lustig war das schon. Der Sänger sagt: ‚Wisst ihr, was mir dazu einfällt, wenn wir im Museum spielen?‘ und dann steckt er sich den Finger in Hals und kotzt auf den Marmorfussboden - kann man sich auf Youtube anschauen.
Da war auch gleich noch so ein Link zu einem Video, wo die Neubauten zusammen mit Genesis P. Orridge in einem Londoner Museum mit einem Presslufthammmer den Boden aufhacken. Ziemlicher Skandal damals. Das ist sogar vor zwei Jahren oder so nochmal komplett nachgestellt worden, in dem Museum, so live. Hab‘ ich mir auch angeschaut auf YouTube und erst gar nicht gecheckt, daß das nicht dasselbe Video ist. Das war auch die ganze Ausstellung, nur das Video. Fand ich erst komisch, das so nachzustellen, aber dann dachte ich, vielleicht macht das tatsächlich Sinn, um sich so etwas mal ganz genau anzuschauen: was ist da damals eigentlich passiert und warum und was sind die Unterschiede zu heute. Vielleicht auch deshalb als Ausstellung, um mal einen Aufblick zu bekommen, um mal die Ruhe zu haben, Konzentration zu bekommen, sich wirklich was anzuschauen, einen Perspektivwechsel zu erzeugen oder zu ermöglichen.
Weil die Leute vor 30 Jahren, die konnten wahrscheinlich gar nichts sehen vor lauter Echtzeit.
Die haben vielleicht nen Schock gekriegt und sind ohnmächtig geworden, wie so kreischende Mädchen bei Elvis, weil plötzlich war da ein Geschmack verbotener Lust, genährt vom trunkenen Pulsschlag reinen Lärms und unkontrollierter Zerstörung.
Ich mein, es ist normal, daß alle kreischen und jubeln und so Ekstase machen, weil sonst wär‘s kein Rockkonzert - und irgendwie will man ja immer jemanden sehen, der sich für einen Opfert. Und wenn sich der Sänger von Agnostic Front im Museum den Finger in den Hals steckt und auf den Marmorfussboden kotzt, dann ist das ja eine Erleichterung für mich, weil ich dann nicht mehr selbst dahin muß und auf den Boden kotzen, wenn ich das wollen würde...aber heutzutage wollen ja eigentlich alle lieber im Museum auftreten als im Museum kotzen, weil im Kunstbereich, da gibt es Gelder.
Natürlich sind diese Gelder schlecht verteilt, vielleicht 20% der Künstler können von ihrer Arbeit überhaupt in Vollzeit leben und von diesen 20% sind 15% Maler und nochmal 4% Fotografen.
Die 20% künstlerische Einnahmen teilen sich dann nochmal auf in Einnahmen über den ‚freien‘ Markt und in Einnahmen über Stipendien und Subventionen, die ihrerseits wiederum meist privater Natur sind, nämlich Sponsoring.
Kultureinrichtungen im allgemeinen finanzieren sich natürlich ebenfalls hauptsächlich über Subventionen oder Sponsoring oder Mischformen von Beidem - Förderungen, die sie eher bekommen, wenn sie hohe Besucherzahlen vorweisen können. Besucherzahlen, wie sie ihnen eine junge erfolgreiche Band garantiert - und da die Tendenz generell zum Vergreisen geht, fällt es bei Vergabe von Fördergeldern sicher zusätzlich positiv ins Gewicht, wenn z.B ein Theater nachweislich ‚junges Publikum‘ anzieht. Bands also beispielsweise ans Theater zu bringen, rentiert sich demnach für alle Beteiligten und als Musiker hast du auf dem Kunstmarkt also vielleicht sogar bessere Chancen als im Musikbusiness.
Schon 1984 sind die Neubauten mitsamt ihren Betonmischern ja schließlich von Menschen in verantwortlichen Positionen in dieses Museum eingeladen worden, also ausdrücklich aufgefordert, sich dort zu äussern. Vielleicht nicht einmal aus rein ökonomischen Gründen, sondern eventuell aus wirklichem Interesse. Denn natürlich ist es wichtig, wenn beispielsweise ins Theater auch andere Sachen reinkommen, so Sachen, ich nenn die jetzt mal Leben.
Weil darum geht es ja: wie lebt man so ein Leben und kann man das besprechen.
Und ist das verhandelbar, lebt also, oder ist gleich von vorneherein der Schrank zu, Affe tot...Will man den aber nicht, den sofortigen Tod, dann stellt man vielleicht aus Pfiffigkeit, Hilflosigkeit, Experimentierfreudigkeit oder Hoffnung den Schrank vielleicht einfach mal auf die Bühne, lässt ihn da stehen, schaut aber ab und zu rein und prüft, was abgeht mit dem Affen, ob der Affe im Schrank nun eher tot oder eher lebendig ist.
In den Schrank reinschauen sollte man dann schon, auch wenn‘s schwerfällt. Denn schaut man nicht hinein, ist der Affe nämlich genaugenommen gleichzeitig tot und lebendig - ein Zombie-Affe, eine Witzfigur, die da rumkaspern kann, was allerdings keine Sau juckt.
Man erhofft sich ja aber was von dem ganzen Aufbau da, nämlich Leben, also Handlungsfähigkeit. Und so begibt man sich (freiwillig) in Gefahr - denn kommt man dem Affen zu nahe, wird dieser vielleicht sauer und greift einen an, zwingt einen also zu Reaktion und Handlung, so Nahkampf. Und dann plötzlich Massenhysterie oder aber auch der Geschmack verbotener Lust, genährt vom trunkenen Pulsschlag reinen Lärms und unkontrollierter Zerstörung.
So aber setzt man sich kontrolliert und gemeinsam auf dem Testfeld Bühne dem Lebe-Affen aus, geht dann raus, auf die Strasse und kann möglicherweise das, was man da eventuell erfahren hat, zum Teilhaben am eigenen Leben gebrauchen.
Als Beispiel die Situation, als sich der Affe Iggy Pop zum ersten mal auf der Bühne schneidet: das muß sehr geil gewesen sein. So geil, daß man danach rausgeht und auf Alles scheißt, weil so ein Iggy einem gezeigt hat, daß auch er auf Alles scheisst: auf seinen Körper und sein Leben und auf sein Publikum auch - weil wenn das Publikum ihn aufessen will, dann bitteschön! - was er will, ist was entgrenzen...und an dieser Entgrenzung nimmt man teil, das findet man gut.
Es passiert also zwar erstmal das, was heute so ein Like-Button macht, nämlich nicht so viel, weil man mit Glotzen beschäftigt ist - dann aber geht man raus und schmeißt irgendwo eine Scheibe ein und hat das Gefühl, ein bißchen mehr an seinem Leben teilzuhaben.
Wenn so ein Bühnen-Affe so was hinkriegt, dann ist das zwar nicht viel, aber immerhin.
Heutzutage wird das im übrigen als Risikofreudigkeit bezeichnet und Risikofreudigkeit kennzeichnet, daß sie kurzfristig scheinbar dem Markt zuwiderhandelt, in Wirklichkeit aber das Einzige ist, was den Markt auf lange Sicht am Leben erhält.

So, nun bitte einmal die FLORTOM...check check....

A:bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...

...Ich hab übrigens schon mal die Stooges gemischt. Bei der Kieler Woche 93. Ihr hört euch ja auch so ein bißchen nach Stooges an. Ist ja auch nicht einfach für so eine jung Band heutzutage, was Eigenes zu machen. Ich mein, euer Sound ist ganz authentisch....
...Und ich glaub echt, daß heute viele Leute kommen, es ist schließlich viel Werbung gemacht worden und wenn die Leute sehen, daß viel Werbung gemacht wird, dann gehen auch viele Leute hin, weil die denken, die Band ist wichtig.
So könnte es sein, es könnte aber genausgut passieren, daß sauviele Poster hängen, aber keiner schaut die an und die ganze Werbung funktioniert doch eher über Facebook und man fragt sich, lohnt sich das überhaupt, immer diese Poster, immer dieses Plakatieren, voll nervig, man weiß es einfach nicht so genau.
Aber für die Konzerte, die ich veranstalte, geh ich trotzdem jeden Tag plakatieren mit so einem kleinen Eimerchen, den versteck ich in meiner Handtasche, damit die Bullen mich nicht so leicht ficken können. Macht keinen Spaß, immer dieses Plakatieren, aber ich denk, das bin ich den Bands schuldig, Werbung machen, so gut ich kann. Und wenn ich mal keine Poster von der Booking-Agentur oder der Band bekommen habe, dann mach ich selber welche, immer so in meinem Style, damit man die Konzerte, die ich veranstalte, gleich erkennt - so eine Art Corporate Identity. Mir hat sogar mal jemand gesagt, das sei ein Gesamtkunstwerk fast, ein kleiner Andy Warhol fast: hübsche Musik, hübsche Poster, hübsche Bands auch und auch interessant - aber ich mach das einfach für mich selbst, weil‘s mir Spaß macht und das ist gar nicht so knallhart kalkuliert.
Aber vielleicht mach ich ja auch tatsächlich mal ne Ausstellung....
Mit so Konzerten, die man wie Ausstellungsstücke durchnumeriert, so Konzert No.3 von 400 und Poster No.20 von 200 und altdeutscher Schriftzug unten dran. Dann fänd ich das logisch und lustig auch, bei der Ausstellungseröffnung Bands spielen zu lassen, vielleicht sogar meine eigene, ich mach nämlich auch Musik, aber ich komm nicht so oft dazu...
Dann stell ich quasi meinen persönlichen Musikgeschmack, oder was ich für cool halte, aus - was ich im Grunde ja sowieso jedes Mal mache, wenn ich ein Konzert veranstalte, nur daß ich das sonst nicht so deutlich sage.
Und dann wird plötzlich klar, daß meine Funktion darin besteht, zu sagen, was wichtig ist und was nicht und daß ich mich natürlich selbst wichtig nehmen muß mit meinem persönlichen Geschmack und daß ich daran nicht zweifeln darf, weil davon ja ganze Ökonomien abhängen, von denen natürlich wiederum ich abhängig bin, denn letztendlich mach ich natürlich nur einen Job, der dafür sorgt, daß andere auch wieder einen Job haben und auftreten können und den musikalischen Geschmack künftiger Generationen prägen können, die sich dann wiederum wichtig nehmen und mich wichtig nehmen, was wichtig für mich ist, weil es mir den Lebensunterhalt ermöglicht usw.
Wenn ich mir das aber so anschaue, hab ich eigentlich doch nur noch wenig Lust, so eine Ausstellung zu machen. Weil dann hängt ja plötzlich der ganze Raum voll mit Visitenkarten und das entspricht nicht meiner Vorstellung von Kunst - außer ich bin davon überzeugt, daß es natürlich auf jeden Fall eher darum gehen sollte, Visitenkarten an die Wand zu hängen, als gute Kunst. Weil die Visitenkarten sprechen ja wenigstens von einem Grossteil des Lebens, nämlich vom Essen und vom Scheissen.
Dann komm ich vielleicht auch wieder Dahin zurück, mich zu erinnern, daß diese ganze Ausstellungs- und Bandnummer ja eigentlich aus so einer subkulturellen Praxis, so einem Leben herauskommt. In der DDR haben z.b. oft Punkbands auf Ausstellungseröffnungen gespielt, weil es nämlich für diese Bands ansonsten gar keine Auftrittsorte gab und geben durfte - außer Galerien und Kirchen und Wohnzimmern. Die Künstler haben also nicht nur ihre Bilder ausgestellt, sondern auch die Texte der Bands, die ansonsten vielleicht verboten waren, imaginär an die Wand gehängt oder vom Altar runtertröpfeln lassen, so als Herzblut-Beat. Der war auch wichtig für die Gemeinschaft, den hat man auch gebraucht, der hat nämlich Mut gemacht. Und Mut oder Übermut brauchte man, denn es war gefährlich für so Individuen, mit Herzblut rumzumachen - sich quasi zu opfern, um sich gleichzeitig weniger als Opfer zu fühlen, sondern mehr als Handelnde, also mächtig. Das konnte einen nämlich sauschnell in den Knast bringen.
Ich beschliesse also aus so einer Erinnerungsherzblutspur heraus, doch die Ausstellung zu machen, ich stelle aus: ich handele also, daß ich Opfer bin und andere opfere.
Wie alle anderen das auch machen, zumindest 99%. Weil kapitalistisches System. Da bewegt man sich nicht gerade drin herum und man kommt auch nicht gerade heraus. Horizontal schon, so mit 27, aber wenn man’s überlebt, dann auf keinen Fall vertikal, sondern buckelig, zerbeult, brotlos und keine Krankenkasse oder auch einfach kaputt so intern - das Ego ist angeknackst, so daß man sich auf die Couch legen muß, weil man fertig ist, innenrum.
Prince liegt nicht auf der Couch, aber er sitzt in der Sauna, das ist so eine Vorstufe.
Er sitzt mit Rückenschmerzen in Reykjavik in der Sauna und fühlt sich buckelig. Das hat natürlich Gründe: Im Technik-Rider von Prince steht, daß im Backstage-Raum eine hochwertige Hifi-Anlage stehen muß. Der lokale Manager, der das Konzert in Reykjavik ausrichtet, begibt sich also gewissenhaft zum besten Hifi-Geschäft der Stadt und leiht für viel Geld die neueste und beste Anlage aus, die es auf dem skandinavischen Markt gibt. Diese wird im Backstage-Raum von einem Technik-Team installiert. Eine Stunde, bevor Prince dort eintrifft, kommt dessen Tourmanager, um zu checken, ob der Backstage-Raum richtig hergerichtet ist. Als er die Anlage sieht und erfährt, wieviel sie Wert ist, sagt er: ‚um Gotteswillen, das geht nicht, die Anlage muß sofort wieder raus und durch eine günstigere ersetzt werden!’
Kommt nämlich Prince herein und sieht die teure Anlage, will er sie garantiert haben. Das Management aber kann sich nicht leisten, immer diese teuren Anlagen aus den Backstage-Räumen für Prince einzukaufen.
Prince braucht die gute Hifi-Anlage im Übrigen, weil er jedes Konzert aufzeichnen läßt und sich im Anschluss an das Konzert mit allen Musikern im Backstage-Raum die Aufnahme anhört, die sich dort seiner minutiösen Kritik stellen müssen.
Vielleicht würde Prince also noch mehr und andere Fehler hören, wenn die Hifi-Anlage besser wäre. So aber fällt der Tourmanager Prince aus ökonomischen Gründen auf Kosten der künstlerischen Arbeit in den Rücken.
Prince kriegt das natürlich alles mit und ES MACHT IHN KRANK.
Er bekommt Rückenschmerzen, so starke, als hätte ihm jemand einen Gitarrenständer in seinen Poprücken gebohrt. Er geht also frustriert in die Sauna und dort trifft er zufällig Neil Young.
Neil Young hat ebenfalls Rückenschmerzen, weil ein Grundmerkmal des Kapitalismus ist, daß die Entfremdung um so größer wird, je größer die Firma ist und um so mehr Delegierte zwischen die einzelnen Ausführenden geschaltet sind. Wenn beispielsweise ein Kleinunternehmer-Künstlerduo aus Hamburg seine Deutschland-Tour selbst organisiert, mit dem eigenen Auto fährt, beim Veranstalter übernachtet etc., dann ist daran insgesamt nicht viel Personal beteiligt, also wenig Entfremdung möglich. Wenn aber Neil Young auf Tour geht, sieht es ganz anders aus:
Ein Manager reist vorneweg. Er hat die Aufgabe, jeweils vor Ort alles so vorzubereiten, daß keine Überraschungen, kein trunkener Pulsschlag reinen Lärms, stattfinden kann. Der Manager veranlaßt deshalb z.b., das Hotelzimmer komplett auszuräumen. Kein einziges Möbel darf sich darin befinden, denn: Neil Young übt nach seinem Auftritt im Hotelzimmer immer japanischen Schwertkampf und braucht dafür viel Platz.
Das klingt ersteinmal plausibel. Es lässt sich allerdings auch kaum mehr überprüfen, ob sich nicht irgendwann einmal ein Missverständnis eingeschlichen und im Laufe der Jahre verhärtet hat. Vielleicht nämlich hat sich Anfang der 80er Jahre, als der jetzige Manager noch Praktikant war, sich ein ihm Vorgesetzter einen Scherz erlaubt: auf die Frage des damaligen Praktikanten hin, was noch zu tun sei, bekam dieser die Antwort: das ganze Zimmer von Neil muß komplett ausgeräumt werden, weil der übt dort immer nach dem Auftritt japanischen Schwertkampf. Daraufhin ließ der damalige Praktikant und jetzige Manager, übereifrig und um seinen Job besorgt, das Hotelzimmer komplett ausräumen. Aufgrund der herrschenden und systematischen Entfremdung und des dauernden Drogenkonsums von Neil Young fiel der blinde Gehorsam des ehemaligen Praktikanten und jetzigen Managers niemandem als Fehler des Managements auf. So wird also das Zimmer von Neil Young seit Jahrzehnten Nacht für Nacht, Hotel für Hotel, komplett entleert. Neil Young kennt es nicht mehr anders und denkt, Hotelzimmer sind leer, leidet jedoch unter Rückenschmerzen, weil der Fussboden ist hart und er nicht mehr der Jüngste.
Er hatte im Übrigen auch noch nie ein japanisches Schwert. Er hat das japanische Schwert nur einmal als Symbol in einem Songtext, für einen Song, den er ebenfalls längst vergessen hat, der aber als Pausenmusik in der Telefonwarteschlaufe seiner Bookingagentur läuft, verwendet.
So hocken nun also Prince und Neil Young schlecht gelaunt, unausgeschlafen und mit Rückenschmerzen in einer Sauna in Reykjavik, was natürlich kein Zufall ist, sondern selbst eingebrockt.
In der Meinung, sie seien im Besitz eines Apparates, der in Wirklichkeit sie besitzt, verteidigen sie einen Apparat, über den sie keine Kontrolle mehr haben, der nicht mehr, wie sie noch glauben, Mittel für die Produzenten ist, sondern Mittel gegen die Produzenten wurde.
Und weil ihm dazu nichts einfällt, sagt Prince schliesslich zu Neil Young: ‚komm Neil, lass mal rausgehen aus der Sauna, ich kenn einen Laden in der Stadt, da gibt’s richtig gute Hackbällchen und Mettbrote. Wir saufen uns einen dazu an und besuchen dann Björk, die kann so schön singen. Das is doch auch was wert.’ Aber Neil sagt daraufhin: ‚Prince, ich mag das nicht, wenn du so versöhnlich wirst. Und Hackbällchen, nein Danke! Die ganze Welt ist doch aus Hack. Ich geh lieber auf mein Zimmer und sauf allein.’

So, und jetzt bitte das ganze Set.

Ende

AtomicTitCorporation
Lecture-Performance vom 30.11.2011
für Eine Welt Aus Hack, „Thee Ausstellung“ im WestGermany, Berlin
www.atombusentransporte.de

26.09.11

sweet countrylife

13.09.11

Don’t wait until it’s dark

I got a little obsessed with that witchhouse subject, too.
enjoy the Y††I-Mix.
Playlis†:
01.adverts-new church
02.sonic youth-ghost bitch
03.whitman&anni rossi-you're only a ghost now
04.salem-whenusleep
05.the barbados steel orchestra-house of the rising sun
06.martin denny-the look of love
07.quintron-bride of frankenstein
08.cosmetic feat. jamaaldeen tacuma-tranquilizing
09.PIL-death disco
10.sewn leather-i need a drain
11.catholic spray-waiting for the sun
12.no paws-on a beach in the sun
13.Z's-concert black
14.pixies-you fuckin die
15.danger in paradise-bamboo house of dolls
16.itty minchesta-zombihit
17.DNA-lying on the sofa of life
18.excepter-and and every
19.karl-marx-stadt-tee yui
20.jean louis-milwaukee
21.the spits-1989
23.sonic youth-satan is boring

Download

26.06.11

blue cross new sneakers ...

...keep on trippin'

Download the mix

1.Boubacar Traore - Kanou
2.Skeleton Crew - Que Viva
3.Zinja Hlungwani- Gezani's Daughter
4.The Eloise trio - Digby
5.Tempo 70 - El Galleto
6.Shabba Ranks & Crystal - Twice my age
7.Missy Elliot feat. Mc Solaar - All in my grill
8.Handsome Boy Modeling School - Once again
9.Santogold (Diplo Rmx) - I'm a lady
10.Tricky - Hell is around the corner
11.Shuggie Otis - Strawberry Letter 23
12.Curtis Mayfield - Keep on trippin'
13.Oma Hans - Kreisverkehr
14.Half Japanese - My concentration, oh no
15.Sonic Youth - Brave men run (In my family)
16.Die Doraus & die Marinas - Einkauf
17.Deerhoof - New Sneakers
18.The Beach Boys - God only knows
19.The Geraldine Fibbers - Blue cross
20.The Beatles - For no one
21.Carla Bozulich - Times Square

29.05.11

Double Rainbow



Download Fair Weather Friends Mix


1.Hassan Kassai - Pishdaramad
2.Laurie Anderson - Example = 22
3.Deerhoof - my pal foot foot
4.The Flying Lizards - Summertime Blues
5.The Flying Lizards & Vivien Goldman - The Flood
6.ESG - Moody
7.The Contortions- Throw me away
8.Etron Fou Leloublan - Emoi
9.Outkast - Chonkyfire
10.The Slits - Typical Girls
11.Sly & The Family Stone - Runnin' away
12.Jeffrey Lewis - Roll Bus Roll
13.Itty Minchesta - I still have plans
14.Wu Tang Clan - Incarcerated Scarfaces
15.Holger Hiller - Blass schlafen Rabe
16. Anika - End of the world
17.Gainsbourg - Boomerang
18.Fred frith - Dancing in the streets
19.Big Tymers- Got Everything
20.Lyonel Belasco - Violets
21.Einstürzende Neubauten - Letztes Biest am Himmel
22.Moe Tucker - Do it right
23.Lol Coxhill & the Welfare State - Tribal Drumming
24.Martin Denny - Tsetse Fly
25.Karl Blake - Baby's in Grey
26.Daedalus- Fair weather friends
27.The Velvet Underground - The Gift


25.04.11

Ein mieser Begriff, ein ganz mieser

F: Was bedeutet der Begriff Arbeit für dich?
W: Ein ganz mieser Begriff, ein ganz mieser.
F: Du hast hart in deinem Leben gearbeitet und du hast wenig Lust dazu im Moment.
W: Da hab ich noch nie Lust zu gehabt und werde wohl nie Lust zu verspüren.
F: Und du würdest Schreiben nicht als Arbeit auffassen?
W: Als andere Arbeit. Als Arbeit faß ich das auf, was man nicht gern tut, was man tut, um sich zu ernähren, also wie sagt Marx mal oder Engels, ich weiß es nicht mehr, einer von den beiden, daß der Arbeiter den Arbeitstag, diese acht Stunden, gar nicht als sein Leben betrachtet, sondern sein Leben ist das Vorher und das Nachher, das ist das, was er notwendigerweise verkaufen muß, um die Ernährung, die Selbsterhaltung zurückzukaufen dadurch. Aber eine Sache, die man gerne macht, sei es Schreiben oder ein Lokal einrichten, natürlich ist das harte Arbeit, aber das erscheint ja nicht als Arbeit.
F: Und das, was du nun täglich tust, und womit du dich täglich mit deiner Umwelt auseinandersetzt, würdest du das als Arbeit bezeichnen?
W: Nein, nicht direkt.
F: Wie?
W: Ja das ist so ein schläuliches Versuchen, an Geld ranzukommen, aber mit ernsthafter Arbeit hat das nicht viel zu tun, weil man sich nicht kaum wirklich anstrengend und lange darum bemüht, und so macht man das nebenbei nur.
F: Und dein Rumflachsen, ins Separée Gehen, und Rauchen, Lesen, Musik Hören, wie würdest du das bezeichnen?
W: Als Yellow-Mellow-Life.
F: Nicht als Faulheit?
W: Man könnte es als Faulheit bezeichnen, aber da komme ich auf ein ganz interessantes Ding. Ich bemühe mich mit der Faulheit und ich gehe noch weiter, mit der Langeweile, bezeichne es mal als Langeweile, weißt du, daß das ganz schwierig ist, die Langeweile zu kultivieren. ich versuche eine Möglichkeit zu finden, die Langeweile zu kultivieren.
F: Die Idee des Spielens ist nicht wichtig für dich, daß du dich selbst spielst?
W: Ja, ja, das ist ganz wichtig, ich spiel das, das ist das Vollkommene.
(Kann ich heute nichts mehr mit anfangen)

Hubert Fichte, Wolli Indienfahrer, Wolli II, Sommer 1969

12.04.11

depressed yo!

gestern brach ein mann, den ich freiwillig, also aus freien stücken, zu mir gebeten hatte, meine tür auf. er kam mit dem taxi, ich hatte schon über eine stunde auf ihn gewartet.
ich dachte, diese leute hätten firmenwagen. es war nicht sehr vertrauenserweckend. auch seine tasche war ziemlich runtergekommen.
er trug schwarz und sah überhaupt aus wie aus einem französischem neosurrealistischen film, nehmen wir delicatessen als beispiel oder auch jean reno in diesem film mit dem kind, was bomben legt.
er trug nämlich eine kugelsichere weste, war gedrungen, sein gesicht war vernarbt und seine haare schwarz gefärbt, an den enden zur kopfhaut hin waren sie viel heller. zur kugelsicheren weste trug er ein splatter t-shirt, sowas mit schweineteilen im metzgerladen.
er schnaufte mein treppenhaus hinauf und blieb auf jedem absatz länger stehen, um exzessiv zu röcheln, gurgeln und stöhnen, es war ziemlich abstossend. ich war müde und hatte keine zeit.
oben angekommen zog er keuchend seine cowboystiefel aus und kniete sich schwitzbesockt vor meine wohnungstür. dort bastelte er sich mit klebeband ein werkzeug zusammen, welches er viele vergebliche versuche lang an meinem schlüsselloch austestete. schliesslich bohrte er ein loch in meine tür. ein loch, das er nach getaner arbeit keineswegs wieder reparierte. das loch ist also jetzt in der tür, damit ich mich immer wieder aussperren, jedoch danach jederzeit problemlos wieder die tür öffnen kann. der nachteil ist, das jeder andere das nun auch kann. aber bei mir ist eh nichts mehr zu holen, denn der mann forderte nach zerstörung meiner tür sogleich alles geld, das mir für den rest des monats verblieb.
darauf brach ich in tränen aus, die mehrere stunden nicht versiegen wollten.
der mann jedoch war unerbittlich, dabei waren es keine tränen weiblichen charmes.
er verlangte dann meine begleitung zum geldautomaten, ein weg, den wir schweigend, gleichsam mit elektronischen fussfesseln aneinandergekettet, zurücklegten.
wer dumm ist, den bestraft das leben.

Download depressed yo! mix

Playlist:
 blur/abwärts/cabaret voltaire/casiotones for the painfully alone/jaques palminger/nas/patrick fitzgerald/ kan kan/the jellies/gran puba/serge gainsbourg/the specials/lizzy mercier descloux/lydia lunch/momus/ariel pink/garage glass/holger hiller/oma hans/the death set/the free design/pyrolator/einstürzende neubauten/the smiths/jeffrey lewis(crass cover)/burt bacharach/bobby womack/roots manuva/kanye west/burt bacharach/robert wyatt/momus/casiotones for the painfully alone/bill withers/the flying lizards/jeffrey lewis/crazy leggs/neil young

27.02.11

Radioséance

Schlaf
wandeln durch LehrGänge Betten Kantinen Sparkassen
Schalter. Köpfe gehn torkelnd
auf Tischplatten nieder
Einfallsarmut Darmkathastrophen
Risse
in den Gedankenketten. Zweifel am Uhrzeigersinn
Kurzwellenkamikazegeschrei
Fest-
ansprachenernteerträgemusik-
schlagzeilendialogfetzen ALLES
Entscheidende passiert uns
im Sitzen. Starren durch Fenster auf fremde
Sehnsucht
ist die mehrzahl von glück*
ansonsten bin ich müde, plattnasig und unwissend.
was berichte ich noch?
wie ich mich nicht getraut habe, die untergrund-literaten des prenzlauer bergs anzusprechen.
extra bin ich vor zwei wochen in den prenzlauer berg gefahren, zu einer ausstellungseröffung in einer galerie, die ein ehemaliger ost-punk, der herausgeber, kurator und buchschreiber von 'ostpunk! too much future', seit nicht allzu langer zeit betreibt - wie ich vermute, aus interesse - diversen eigenen wie auch erhofften fremden.
und ich, ich erhoffte an diesen interessen mit eigeninteresse, ich habe nämlich in letzter zeit das bedürfnis, möglicherweise spannende menschen, die noch nicht tot sind, leibhaftig kennenzulernen und austausch zu bekommen: wie ein alltag aussieht und wie er sich lebt, als differenz von erwünschtem und tatsächlichem. als entscheidung zum wunsch nach differenz, interesse und nichtzufriedenheit.
abends sind manch mal scheiter haufen fakt die
schluxen sich voll abgeglukster sorgen fast
jeder von den leuten hat die selben anders kaum
wer verstehts aber nicht einer hats versucht
son scheiterding nem andren probeweise mal zu
borgen*
z.b. punk zu sein in ostdeutschland
so habe ich mir erlesen, hat bedeutet, das man ganz schnell ganz viel nicht mehr machen konnte, wie seinen beruf ausüben oder studieren. die lebensläufe waren ja quasi vorgeplant, und all das hat man abgeschnitten. da blieb nur noch ein job als friedhofsärtner oder turnhallenwart und vorher der knast oder psychatrie. das ganze leben hat sich also drastisch verändert durch punk. ohne rückfahrkarte in die 'normalität'. ohne option auf popstartum und gelungene vermarktung - für viele im westen war (und ist punk ja eine sichere fahrkarte zum managerstuhl (gestern erst hat mir jemand von einem ex-punk berichtet, der jetzt chef einer faschingskostümfirma in china ist).
punk im westen machte eher lebensfähig, zumindest diejenigen, die nicht gestorben sind, ganz einfach, weil im kapitalismus immer alles als chance eingebettet und befriedet wird, zur blutauffrischung dient - als gäbe es kein morgen läuft der direktsaft.
und ich, 10-12 jahre zu spät geboren für 79erPunk, verliebt und verstrickt in totes material seit dem ersten geklauten fanzine aus der kasseler stadtbibliothek. punk im postpunk-zeitalter aus entscheidung, aus bockigkeit, aus verweigerung und unzufriedenheit - die ich mir zu erhalten versuche bis heute.
die unzufriedenheit offenhalten, ohne gleich eine alternative zu erschaffen.
1989, grosse enttäuschung, hoffnung tot auf statt staat geile unzufriedenheit
hoffnung als gäbe es kein morgen: punk, die offenheit erhalten, ohne gleich eine alternative zu erschaffen.
weil das aber stress macht, macht das stress. angst auch. und allein. nicht zufrieden sein und nicht müde, manchmal sogar richtig wach, das geht nur über kommunikation: wie hälst du aus, was hält dich unzufrieden, was regt dich an, was rüttelt dich und wovon träumst du.
und deswegen bin ich zum prenzlauer berg gefahren.
die galerie hat ein sehr grosses schaufenster, es fiel also nicht schwer hereinzusehen. in dem sehr kleinen geweißelten raum sah ich fünf leute mit astraflaschen in den händen beieinander stehen, als würden sie sich seit dreissig jahren kennen. Über ihnen war grossformatige BildDruckLyrik aus den 80ern gehängt, die vielleicht auch nur aussah wie aus den 80ern.
Bis auf die wände eventuell war mir das alles keinesfalls unsymphatisch.
Leider aber war ich allein und fühlte mich auch so. und ich war weder mutig noch betrunken - ich war schüchtern. am abend zuvor, das kam hinzu, war das gegenteil der fall gewesen, ich also waghalsig und betrunken,was zu tanz und gutem gefühl und kurzem küssen mit einem jungen geführt hatte-
Diese fähigkeit mich schweifen zu lassen aber fehlte mir nun quasi proportional. ich war schüchtern, müde, verquollen und sentimental.
dennoch habe ich mich in die galerie hineingewagt, hallo gesagt, alle haben mich angeschaut, stumm, ich war wohl kein bekannter schon seit langen jahren und schaute auf den boden und nicht offen in gesichter.
also bin ich einmal durch die galerie gegangen, habe mir verstohlen die bilder angeschaut, habe nicht gewagt, mich zu den fünf freunden dazu und meine frage zu stellen: 'und ihr, wie geht es euch, ihr punks, was macht ihr nun, wie haltet ihr aus, ihr bockigen, denn das seid ihr doch noch und das ist schön' und dann bin ich wieder rausgegangen. kein punk war ich, sondern ein selbstversager, also ging ich zum späti, wo ich mir ein bier gekauft habe, gegen das innerliche zittern, aber davon bin ich erstmal nur zittriger geworden.
nun ist es so, daß nicht etwa nur ein literat des prenzlauer bergs eine galerie eröffnet hat, sondern zeitgleich einer seiner kollegen tatsächlich um die ecke eine kneipe, in der an diesem abend das 'oberkreuzberger nasenflötenorchester' spielte. also bin ich dahin.
ich dachte, kneipe vielleicht entspannter als geweißelte wände, aber auch mit interesse habenden leuten voll.
als ich ankam, spielte das orchester schon hits der jahrzehnte per nasenflöte. ich habe mich an den tresen gesetzt, zu einer dame, die geradezu als schön zu bezeichnen war, von einem hollywoodartigen aussehen, liz taylor oder so, weil sie mich freundlich angelächelt hatte beim hereinkommen, wie sich später herausstellte, eine galeristin, amerikanerin auch.
an diesem punkt unseres gesprächs hatte schon die muschi einer uns beiden nicht bekannten frau über uns gehangen.
es war nämlich so, daß das nasenflötenorchester eine exhibitionistin angezogen hatte, eine frau mittleren alters, gut erhalten und mit lesbischer frisur, die sich im verlauf des flötens ausgezogen hatte und gogo tanzte inmitten der musiker, die alle aussahen wie udo lindenberg jetzt. also viel schwarz, viel strähnige haare, lang, viel verlebt aussehen. alles menschen, die nicht als manager aus den 80ern herausgekommen sind, sondern sympathisch, Udo hin- oder her.
verstärkt durch die präsenz der exhibitionistin, verstärkt auch durch ihre repetive musik, wirkte das orchester auf mich allerdings als fastnachtsverein oder bierzeltkumpane ein - trancetanz, rocker, die humor beweisen, easy rider's schlüsselszene: lagerfeuer mit menschenknochen.
und die exhibitionistische dame hat dann eben später nicht nur auf der bühne, sondern auch auf den tischen der gäste, sowie auf dem tresen direkt über mir und der liv-tyler-artigen getanzt, so daß man geradehoch in sie hineinsehen konnte.
der tanz war lustig, weil es hat keiner was gesagt. vieleicht nur aus höflichkeit, vielleicht aber wegen dem interesse, das doch da war. an diesem ort.
hinter dem tresen standen der ostliterat, der ebenfalls aussah wie udo lindenberg, nur mit mehr nieten, und seine freundin, die ein t-shirt mit dem aufdruck 'punkrock c'est moi' trug. die gäste, wie man sich intellektuelle so vorstellt: schwarz gekleidet, wasserstoffblondiert, zottelig hochtoupiert, starkroter lippenstift, starke selbstgedrehte, viele wodka, viele hornbrillen und auch seit jahrzehnten befreundet.
ich wusste nicht so recht, was ich erwartet hatte, aber ich war ein wenig enttäuscht, was seltsam erscheint, weil hört sich doch gut an, nach interessantem abend.
also habe ich zwei bier getrunken mit der galeristin während folklore und körpergucken und dann kam noch ein freund von mir dazu, der eine psychose hat, weil er an der uni keine karriere macht, trotz interesse, sondern stattdessen von kameras beobachtet wird. wir haben noch zwei bier getrunken, ich habe dann auch nicht mehr gezittert, es war ja auch nichts am brennen, in mir nicht und auch in der kneipe nicht, von euphorie also keine spur, und dann bin ich etwas frustriert in die tram gestiegen und zum alex gefahren.
in der tram mir gegenüber stand ein unauffällig gekleideter etwa 23jähriger, der eifrig in ein kleines rotes notizbuch schrieb, mit grossen buchstaben, über die ganze seite, vielleicht gedichte. dann bremste die bahn ruppig und es fiel ihm ein päckchen koks aus dem notizbuch, mir direkt vor die füsse. ich habe es aufgehoben und ihm wiedergegeben und wir haben uns kurz angegrinst:
'ey, hängste hier auch rum, wird bald hell,
ausgehungert, suchst nen kick, hipster, tracklists, krasse augen,
die besten unsrer generation,
beatboxen sich durch,
ich rede von wedding bis nach neukölln, 70 stunden lang,
kein geld, was,
konversation, drogen,
krankenhaus, knast,
aber ich schick dir ne postkarte mal,
ficken is wohl nicht, kein herzschmerz, was,
hey, alles voll mit bullen,
sirenen,
vielleicht doch ficken,
seemann im park, im hamam, im kino, bist son feines mädchen, was,
bücher, schaust dir alles an, was, romantisch, zwiebeln, schlechte musik,
ich nehm dich mit, geile performance, fabrikhalle, voll achtziger!!
ich weiß nicht, was so die attraktion des abends ausmacht, ob es der retrocharme ist oder ob es interesse an der halbwertszeit von literatur ist, jedenfalls,
wird dir gefallen!
weißte!'
und weil ich auf der suche nach dem brennen war, dachte ich neukölln vielleicht gute adresse, soll ja sein wie lower eastside in new york früher und folgte wie alice dem weißen kaninchen.
die halle lag tatsächlich im industriegebiet, einem ganz kleinen, überstrahlt vom neon-licht des estrel-hotels, was ziemlich gross ist und ein stück berliner mauer im innenhof stehen hat, ebenfalls angestrahlt. mein begleiter redete und dichtete in einem fort, alle seine verwandeten arbeiten im hotel. er nicht.
die halle war ziemlich dunkel, karg und ungeheizt. die performance hatte gerade angefangen.
eine bleiche frau mit schwarzem pagenschnitt, rotem lippenstift, federboa und einem kleid aus den zwanziger jahren kniete zwischen elektronischen geräten aus den 80er jahren und erzeugte rauschen und lautes feedback, im halbkreis um sie herum stand publikum wie oblatenempfänger, die meisten mit radios in der hand.
'chantal ist heute der zeremonienmeister. sie ist spezialisiert auf channeling der 80er jahre'
flüsterte mir ein junger man mit hut und pelz und schwarzem lippenstift zu und bot mir von seinem rotwein an:
'sie versucht gerade, die umherschweifende stimme des mediums itty minchesta aus dem äther zu angeln.
heute nacht hat chantal nämlich von margot honnecker geträumt. diese führte einen pink flamingo und einen weißen königspudel durch die hasenheide.
dann erlegte der pudel den flamingo und dessen seele flog über die spree in den mauerpark.
deshalb ist mit ziemlicher sicherheit darauf zu schließen, daß chantal gleich durch itty die stimmen von blixa bargeld und einem ostpunk empfangen wird. also lass und helfen, die energie zu halten. komm trink mal einen schluck!'
ich nahm einen schluck vom schweren wein und fühlte mich plötzlich ganz komisch, meine beine wurden schwer und ich hatte ein gefühl weissrosa federn im kopf, wovon mir schwindelig wurde. ich musste mich dringend setzen, bevor ich umkippte. seltsames begab sich. Es war mir als redete ich mit fremden zungen.

02.01.11

 
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